Vom 13.-16. Juli fand in Marsa Shagra wieder ein Reef Check EcoDiver Kurs mit fünf Surveys (Riffuntersuchungen) im Anschluss statt. Wir sind im nunmehr 15. Jahr, seit wir das Riffmonitoring-Programm mit Red Sea Diving Safari (RSDS) gestartet hatten. Die sechs Kursteilnehmer kamen aus der Schweiz und aus Deutschland – so war dies der erste deutschsprachige Kurs „ever“. Bei den anschließenden Surveys bekamen wir Unterstützung von sechs bereits zertifizierten EcoDivern, die den Kurs in den Vorjahren absolviert hatten.

 

Sie hatten ihren Aufenthalt in Marsa Shagra zeitlich extra so geplant, um an den Surveys teilzunehmen. Als erfahrene Reef Checker unterstützten nicht nur die Datensammlung, sondern auch das Auslegen und Einholen der beiden Transekt-Leinen.
Wir waren also ein großes und buntes Team, die Teilnehmer von 12 bis 69 Jahren, vom OWD bis zum Master Instructor.
Im Folgenden hatten wir tolle Tauchgänge und eine sehr erlebnisreiche Zeit zusammen…

Reef Check EcoDiver Kurs

Im Reef Check EcoDiver Kurs wechselten Theorie-Lektionen und Übungs-Tauchgänge einander ab.
Die Teilnehmer lernten zunächst die Reef Check Methode kennen und die verschiedenen Indikatorgruppen an Fische, Wirbellosen & menschlichen Einflüssen, sowie Substrat (Korallen, Algen, Riffgestein, Sand etc.). Jeden Kurstag führten wir zwei Trainings-Tauchgänge im Riff durch, um die Identifizierung der Indikatororganismen und die Unterwasser-Handzeichen zu üben.
Am dritten Tag wurde bei einem „Beach-Exercise“ die praktische Anwendung der Reef Check Methode auf dem Trockenen entlang der ausgelegten Transektleine geübt – mit einlaminierten Fischen und den entsprechenden Unterwasser-Handzeichen. Bei der dabei geforderten „Ernsthaftigkeit“, kombiniert mit schauspielerischen Qualitäten und Darbietungen – wenn man z.B. eine Seegurke darstellen möchte – kommt regelmäßig Freude auf…

Nachdem alle Teilnehmer auch die Tests zur Identifizierung der Indikatororganismen erfolgreich absolviert hatten, waren sie nun zertifizierte Reef Check EcoDiver.
Doch als am letzten Tag ein „Test-Survey“ anstand, war allen Beteiligten klar: Jetzt wird´s ernst!

Wir hatten Reef Check Surveys an fünf verschiedenen Riffen geplant. Dieses Jahr standen auf dem Programm:

Marsa Egla north
Marsa Shagra north
Marsa Shagra south
Wadi Lahami sheltered
Wadi Lahami exposed

Reef Check Surveys

Wir begannen also in Marsa Egla. Mit zwei 100 m-Transektleinen konnten wir die Transekte für beide Tiefenstufen gleichzeitig auslegen. Auch die Survey-Teams konnten beide Tiefenstufen in einem Tauchgang erledigen – zuerst die 8,5 m und dann die 3,5 m Tiefenstufe. So konnten wir an zwei Tagen jeweils zwei komplette Surveys durchführen, was sehr effektiv war. Die fünf Surveys konnten so in drei Tagen erfolgreich abgeschlossen werden.
Ein weiterer Vorteil ist, dass die Teilnehmer mehr Tage für das unbegrenzte Tauchpaket zur freien Verfügung haben.
Die beiden Surveys in Marsa Shagra wurden von unserem langjährigen Freund, dem Meeresbiologen Dr. Ahmed M. Shawky, unterstützt. Am Abend gab Ahmed einen Vortrag für alle Gäste von RSDS über Delfine im Roten Meer. Hierbei gab er interessante Einblicke in ihr Verhalten und Sozialleben, ihr nächtliches Jagdverhalten und auch die Interaktion mit ihren einzigen Fressfeinden – großen Tigerhaien und Weißspitzen-Hochseehaien.

Zu unseren Ergebnissen:

Das „Substrat-Team“ ermittelte einen mittleren Hartkorallenbedeckungsgrad von 49,5 % über alle fünf Survey-Plätze und beide Tiefenstufen.
Das liegt deutlich über dem durchschnittlichen Hartkorallenbedeckungsgrad von durchschnittlich 39,1 %, der im „Status of Coral Reefs of the World 2020“ (GCRMN, 2020) für das nördliche und zentrale Rote Meer und für das Jahr 2019 ermittelt wurde.
Generell war der Korallenbedeckungsgrad in der flachen 3,5 m Tiefenstufe höher, als in der 8,5 m Tiefenstufe, sowohl bei den Hart- (HC) als auch bei den Weichkorallen (SC).
Den Spitzenwert hatte Marsa Shagra north mit 65,0 % in 3,5 m Tiefe und 43,1 % in in 8,5 m Tiefe.
Auf Platz 2 lag Marsa Shagra south mit 58,1 % und 52,5 % in 3,5 m bzw, 8,5 m Tiefe.
In diesem Bereich fiel das Riff etwas flacher ab, weshalb in der tieferen Stufe auch mehr Licht ist und damit mehr Korallenwachstum möglich ist.

Auch bei den Zackenbarschen, die ein wichtiger Indikator für Überfischung sind, fanden wir in Marsa Shagra north mit 1,75 Individuen pro 500 m³ Transekt mit Abstand die meisten Zackenbarsche >30 cm. Kleinere Exemplare als 30 cm werden bei der Reef Check Methode nicht gezählt.
Das ist schon eine überdurchschnittlich hohe Anzahl und unterstreicht, was man als Taucher auch wahrnimmt: Hier ist das Riff intakt – hoher Korallenbewuchs, sowie viele und auch große Fische! Neben dem über 30-jährigen konsequenten Schutz trägt vermutlich auch das besonders breite Riffdach zu dem Fischreichtum und der hohen Artenvielfalt bei.
Bei den Falterfischen wies Marsa Shagra north ebenfalls mit 8 Individuen pro 500 m³ Transekt die höchste Dichte auf.

Die meisten Riffmuscheln fanden wir in Marsa Egla mit 15,5 Individuen pro 100 m² Transekt in 3,5 m Tiefe, bzw. 3 Individuen in 8,5m Tiefe. Bei den Riffmuscheln war der Unterschied zwischen der flachen und der tieferen Stufe besonders deutlich. Denn auch Riffmuscheln besitzen in ihren Mantellappen symbiotische Algen und bevorzugen daher lichtdurchflutete, flach abfallende Riffhänge.
An weiteren Wirbellosen fanden wir nur vereinzelte Griffelseeigel, gebänderte Korallengarnelen und in Wadi Lahami auch einen großen Dornenkronen-Seestern (Acanthaster planci). Obwohl das „Wirbellosen-und-menschliche Einflüsse-Team“ bei den Surveys wirklich sorgfältig in alle Höhlen und Spalten schaute…
Die meisten Wirbellosen verstecken sich eben tagsüber vor den zahlreichen Fressfeinden und kommen erst nachts aus den Höhlen des Riffs heraus.

Tour durch den Wadi El Gemal Nationalpark

Nach den beiden Surveys in Marsa Shagra north und south ging es dann nach Wadi Lahami, wo zwei weitere Surveys auf dem Programm standen.
Die normalerweise ca. 2-stündige Busfahrt verläuft durch den Wadi El Gemal Nationalpark (WGNP).
Wir machten daraus eine Nationalpark-Tour mit Stops an ausgewählten Orten, welche uns die fantastische Natur und Landschaft, sowie die ägyptische Kultur und Lebensweise der hier lebenden Beduinen hautnah erleben ließen!

Ahmed führte uns durch den Nationalpark und erzählte an jedem Stop etwas zu den naturkundlichen Besonderheiten. Ahmed hatte früher viele Jahre bei den Rangern des WGNP gearbeitet und kennt den Nationalpark „wie seine Westentasche“.

Der erste Stop war direkt zu Beginn des Wadi El Gemal Nationalparks. Auf einem Hügel besichtigten wir römische Ruinen, sowie eine große Schirmakazie (Vachellia tortilis). Der an die Trockenheit angepasste Baum trug grüne Samenschoten. Und war von zahlreichen Raupen besiedelt.

Delta Wadi El Gemal

Ras Baghdadi, oder Delta Wadi El Gemal ist das Überbleibsel eines einst mächtigen Flusses. Die aus den Bergen herangespülten Flusskiesel sind Zeuge für die deutlich feuchteren Zeiten vor vielen Tausend Jahren. Heute führt der Wadi (=ausgetrocknetes Flussbett) Wasser nur bei Fluten, die mit mehrjährigem Abstand stattfinden. Dennoch ermöglicht das Grundwasser einen örtlich recht üppigen Pflanzenwuchs, mit Doumpalmen (Hyphaene thebaica), Dattelpalmen (Phoenix dactylifera), Manna-Tamarisken (Tamarix nilotica) und zahlreichen weiteren Pflanzenarten. Ein mit Schilfrohr (Phragmites australis) bewachsener Teich spendet Süßwasser für zahlreiche Tiere, z.B. Dornschwanzagamen (Uromastyx ornata), die Kleine Wüstenspringmaus (Jaculus jaculus), die Weißaugenmöwe (Larus leucophthalmus), den Schieferfalke (Falco concolor), oder den Fischadler (Pandion haliaetus).
Auch die kleine Dorkas-Gazelle (Gazella dorcas) kommt nachts aus den Bergen hierher zum Trinken.

Ras Hankorab

Der nächste Stop war der weitläufige Sandstrand von Ras Hankorab, wo wir von einer Hundefamilie begrüßt wurden. Ras Hankorab hat eine große flache Lagune in geschützter Lage und ist ein beliebter Bade-Strand für die lokale Bevölkerung, wie auch für Touristen.

Vegetation gibt es neben Jochblatt (Zygophyllum album) und Binsen (Juncus spp.) kaum.
Der Ort besticht durch seine Weite und das schier endlose, türkisblaue Wasser.

El Qulan

Unser letzter Halt vor Wadi Lahami war El Qulan.
Hier durften wir bei den Ababda Bedouinen einen traditionellen ägyptischen Kaffee, den „Gabbana“ genießen. Dieser ist sehr stark und mit Kardamom, Zimt, Nelken, Piment, Muskatnuss und Pfeffer verfeinert.

Im Anschluss erkundeten wir das tolle Mangroven-Gebiet: Die Weiße Mangrove (Avicennia marina) mit ihren Luftwurzeln, ist die einzige Mangrovenart im Roten Meer, die an die Trockenheit und den hohen Salzgehalt angepasst ist. Typische Mangrovenbewohner sind neben den Landeinsiedlerkrebsen (Coenobita scaevola) verschiedene Krabben, welche sich im Sandboden Gänge graben und dabei kegelförmige „Burgen“ aufwerfen.

Wadi Lahami

In Wadi Lahami angekommen, machten wir nachmittags einen Schnorchelausflug zum Hausriff und hofften, die ansässigen Dugongs zu sichten.
Doch leider waren die Tiere gerade nicht vor Ort. Dugongs haben als große Meeressäuger natürlich einen gewissen Bewegungsradius und wandern auf der Suche nach den saftigsten Seegraswiesen umher. 
Ich erinnerte mich an den Reef Check 2018, als einem Kursteilnehmer völlig unerwartet bei einem Nacht-Tauchgang ein Dugong begegnete und er sich erstmal höllisch erschreckte….!

Wir hatten aber auch so einen wunderbar entspannten Schnorchel- bzw. Freedive-Nachmittag am Wadi Lahami housereef.
Die zwei Zodiacs dienten uns beim Schnorcheln als „Basis“. Am Abend fuhr Ahmed zurück nach Marsa Alam.
Am nächsten Tag standen dann die beiden letzten Surveys am Wadi Lahami Housereef auf dem Programm: einmal in der geschützten Bucht und dann am exponierten Außenriff. Während die Bucht durch reichlich Sedimente, Schwämme und Weichkorallen geprägt ist, findet man am Außenriff den von Steinkorallen dominierten Korallenbewuchs eines typischen Saumriffes vor. 

Tauchen in den Fury Shoals

Am letzten Tag unseres Kurztrips nach Wadi Lahami konnten wir noch die fantastischen Riffe der Fury Shoals betauchen: während die offshore-Riffe „Angel“ und „Malahy“ mit epischen Riff-Formationen beeindrucken, bestach das nahegelegene „Daisy“ aufgrund nährstoffreicher Verhältnisse mit überschäumendem Fischreichtum und üppigem Korallenbewuchs. 

 

Fische…

Die Riffe in den Fury Shoals haben im Hinblick auf die Fischfauna einige Besonderheiten.
Neben den allgemein häufigen Arten kommt hier auch der seltene Rotkopf-Falterfisch (Chaetodon larvatus) und der im Roten Meer endemische Feilenfisch (Oxymonacanthus halli) vor. Beide Arten ernähren sich ausschließlich von Korallenpolypen und sind deshalb auf Gebiete mit besonders dichtem Korallenbewuchs angewiesen. 
Hier eine Auswahl von Fischarten (alle Aufnahmen von Juli 2023), die häufig an den Saumriffen Ägyptens anzutreffen sind:

 

Vielfalt an Korallen

Wer sich einen Überblick über die Korallen erarbeiten möchte, sollte sich auf die Identifizierung der Gattung konzentrieren. Das ist hier die wichtigste taxonomische Kategorie. Entscheidend für die Korallenbestimmung sind weniger die Farbe – auch die Wuchsform kann sehr variabel und unterschiedlich innerhalb einer Gattung sein – sondern vor allem die Feinstruktur der Koralliten: das sind die Einzeltiere der Korallenkolonie.
Hier muss man systematisch vorgehen – die ultimative Bestimmungsmethode für Steinkorallen ist der „Indopacific Coral Finder“ von Russell Kelley.
Wer sich also mehr über Korallenbestimmung lernen will und ihn noch nicht hat, sollte sich unbedingt den Coral Finder besorgen…

Hier ist eine Auswahl von häufigen Korallengattungen in den wunderbaren Riffen des Roten Meeres:

 

Spannende Wirbellose und Kommensalismus

Viele Taucher sind auf Fische, oder mobile, größere Lebewesen fokussiert. Auch die farbigen Nacktschnecken gehören klar zu den Lieblingen in der Tauchgemeinde.
Viele kleinere Lebensformen hingegen, die  auf den ersten Blick eher „unscheinbar“ wirken, werden oft übergangen. Nach dem Motto „kenn ich nicht – wird schon nicht so wichtig sein… Wo ist jetzt eigentlich der Hai?“. Dabei gibt es gerade bei den Wirbellosen für den aufmerksamen Beobachter oft die spannendsten Lebewesen und Interaktionen zu bestaunen.
Ein Highlight waren dieses Mal sicher die winzigen kommensalischen Borstenwürmer (Spionidae) auf einem Schwamm. Sie ernähren sich von winzigen Partikeln, die zu groß sind, um vom Schwamm eingestrudelt zu werden und daher an dessen Oberfläche hängenbleiben.
Diese Ernährungsweise nennt man „Substratlecker“. Die Oberfläche von Schwämmen scheint durchaus eine zuverlässige Nahrungsquelle im Riff zu sein, die auch andere, völlig unterschiedliche Lebewesen nutzen: Beispielsweise winzige Seegurken, die im Indopazifik ebenfalls als Substratlecker auf großen Vasen-Schwämmen unterwegs sind.

 

Tauchen in Marsa Shagra

 

Zurück in Marsa Shagra hatten wir noch weitere tolle Tauchtage am Hausriff – ob nord oder süd oder einfach durch die Mitte am Sandboden entlang…
Etwa 100 m abseits vom Riffhang steigt ein dicht bewachsenes Seil  aus 35 m Tiefe empor und endet ca. 10 m unter der Wasseroberfläche. Dieses Seil war schon vor vier Jahren durch Zufall von unserem vieltauchenden Gerhard entdeckt worden, der nach hunderten Tauchgängen wirklich jede Ecke des Hausriffes kennt.

Wir haben es seitdem mehrmals besucht und untersucht. Dieses Seil ist nämlich eine echte „Fundgrube“, da in diesem Mini-Biotop mehrere Arten vorkommen, die man sonst im Hausriff vergeblich sucht: Neben kolonialen, geflechtartigen Röhrenwürmer (Filogranella elatensis) lebt hier der Langschnäuzigen Korallenwächter (Oxycirrhites typus), sowie ein bisher nicht identifizierter Schleimfisch.
Sehr beeindruckend waren auch die Trips zum Long Canyon und nach Om Halhalla.

Viel zu schnell sind diese erlebnisreichen zwei Wochen vorüber gegangen. Am letzten Tag trafen wir uns noch zu einem Meeresbio-Quiz und wanderten anschließend auf einen Hügel, pünktlich zum Sonnenuntergang. Von diesem Hügel hat man einen großen Rundumblick auf das Marsa Shagra village, das Solar-Kraftwerk von RSDS, die örtliche Moschee und auf die Berge im Hinterland.
Ein ganz großer Dank geht an Red Sea Diving Safari für die ganze Unterstützung und tolle Zusammenarbeit! 

Der nächste Reef Check Kurs wird in 2024 voraussichtlich in Marsa Nakari stattfinden.
Wir freuen uns schon!

Hast du Interesse, mehr über die Vielfalt der Korallenriffe zu erfahren und einmal selbst an Riffuntersuchungen teilzunehmen, um wissenschaftliche Daten zu sammeln? – Dann schreib uns einfach eine E-Mail an info@marinebiologyworkshops.de !